Grünes Fliegen – Eine Heuchelei
Fliegen ist die klimaschädlichste Transportform. Nichtsdestotrotz will die Luftfahrt-Industrie in den nächsten Jahrzehnten stark wachsen. „Klimaneutral“ wachsen, sagt sie. Umgesetzt durch Strategien, welche NGOs wie Finance & Trade Watch als Greenwashing kritisieren. – Peter A. Krobath (Dieser Artikel erschien in verkürzter Form im Augustin Nr. 450)
Oft wird der Emissionshandel für heutige Klimasünder_innen mit dem Ablasshandel der römisch-katholischen Kirche verglichen. Der funktionierte folgend: Ab dem 14. Jahrhundert konnten die Katholischen zu Lebzeiten Vorsorge treffen, um nach dem Tod die als besonders schrecklich prophezeiten Qualen im Fegefeuer zu verkürzen oder ganz zu überspringen. Zu diesem Zweck kauften sie sich so genannte Ablassbriefe. Wobei der Preis sozial gestaffelt war – ob aus christlichen oder geschäftsstrategischen Gründen, steht dahin.
Hier interessiert, warum der heutige Handel mit Emissions- bzw. Verschmutzungsrechten in ein so böses Eck gestellt wird? Was geschieht dabei eigentlich? Ein kurzer Rückblick: Auf der Rio-Konferenz von 1992 wurde vereinbart, die weltweiten Treibhausgas-Emissionen zu begrenzen. Das Kyoto-Protokoll von 1997 machte diese Regelung rechtlich verbindlich, trat 2005 in Kraft, und sah für 38 Industrieländer (die USA ratifizierten den Vertrag nicht) von 2008 bis 2012 im Schnitt eine Treibhausgas-Reduktion um 5,2 % gegenüber 1990 vor (Österreich um 13 %).
Moderner Ablasshandel
Österreich verbrauchte in dieser ersten Verpflichtungsperiode 70 Millionen Tonnen CO2 mehr als ihm zugeteilt wurde und musste dafür 500 Millionen Euro für Zertifikate bezahlen. Und schon sind wir beim Emissionshandel, dem marktbasierten Handel mit der Ware Luft. Besagte Zertifikate, also die Ablassbriefe für uns Klimasündigen, versprechen im konkreten Fall, dass die in Österreich zu viel ausgestoßenen Treibhausgase anderswo eingespart werden, meist durch Projekte im Globalen Süden, wo dies am kostengünstigsten ist. Bei diesen Projekten geht es z. B. um den Bau von Wasserkraftwerken oder das Pflanzen bzw. Nicht-Abholzen von Bäumen.
Der Emissionshandel führt also nicht zu einer Verringerung der Emissionen. Er ist im besten Fall ein Nullsummenspiel. Aber selbst davon sind wir meilenweit entfernt. Von einem Kompensationsprojekt wird verlangt, dass es „zusätzlich“ ist, also eine theoretisch geplante Treibhausemission verhindert – Zum Beispiel heißt es da, es sei der Plan gewesen, ein Kohlekraftwerk zu bauen und nun baue man stattdessen ein Wasserkraftwerk und spare dadurch so und so viele Tonnen CO2 ein. Ein Vergleich, der auf hypothetischen Annahmen beruht und daher nicht verifizierbar ist.
Eine Studie des deutschen Öko-Instituts für die Europäische Kommission kam zu dem Ergebnis, dass es bei mehr als 80% der Projekte des bekannten Kompensationsinstruments CDM („Clean Development Mechanism“) höchst unwahrscheinlich ist, dass sie zusätzliche Emissionen reduzieren. Und nur 2 % der Projekte reduzieren tatsächlich Emissionen. Dazu kommt, dass viele Projekte Einschränkungen für Landnutzung durch bäuerliche oder indigene Gemeinden oder gar Landraub beinhalten. Höchst problematisch werden von Emissionshandel-Kritiker_innen auch die beliebten Waldschutzprojekte (REDD+) gesehen – „denn die Bestimmung von Kohlenstoffspeicherung durch Wald ist extrem unsicher und eine langfristige Speichergarantie gibt es nicht“, konstatiert die Broschüre „Grünes Fliegen – Gibt es das?“ von der NGO Finance & Trade Watch (FT Watch).
Ein falscher Weg
„Der Freikauf von eigentlich notwendigen Verminderungen von Emissionen ist grundlegend falsch,“ sagt Magdalena Heuwieser von FT Watch, „er fördert nicht den ursprünglich geplanten technologischen Umbau und das Abschalten schmutziger Industrien, im Gegenteil, er rechtfertigt ihren Erhalt.“ Und so heizen wir die Klimakatastrophe, dieses reale Fegefeuer auf Erden, weiter an – nur eben mit gutem Gewissen.
Ein solches kaufen sich nicht nur die reichen Länder und ihre dreckigen Industrien, auch die einzelnen Bürger_innen aus der Luxuszone dürfen sich als Klimaretter_innen fühlen, z. B. gegen einen kleinen Aufpreis aufs Flugticket. Fast ein Drittel der Fluggesellschaften bieten ihren Kund_innen mittlerweile an, „CO2-neutral“ oder „klimaneutral“ zu fliegen, ihre „privaten“ CO2-Emissionen „bequem“ zu kompensieren. „Wir bieten das zusätzlich zu anderen Maßnahmen an, weil es ist immer noch die Entscheidung jedes einzelnen Menschen, wie er sein Konsumverhalten gestaltet“, erklärt Sofia Rohner von den Austrian Airlines (AUA) bei einer von der Initiative „System Change, Not Climate Change!“, FT Watch und der Universität Wien organisierten Veranstaltung.
Klimaneutral? Fliegen ist naturgemäß immer klimaschädigend. Pro 1.000 Personenkilometer verursacht ein Flug im Schnitt 18 Mal so viel Kohlendioxid (CO2) wie die Bahn. Aber der Flugverkehr hat einen Sonderstatus unter den Klimasündigen: Der Kersosinverbrauch wird nicht besteuert (Ausnahme: Die Niederlande), viele Flughäfen zahlen keine Grundsteuern, Flugtickets sind in Österreich nicht besteuert, die Emissionen aus der internationalen Luftfahrt sind aus dem Kyoto-Protokoll ausgenommen.
Heuchelei, sagt der Papst
Der vor einem Jahr beschlossene CORSIA-Plan der UNO-Behörde ICAO für die internationale Luftfahrt, der ab 2020 ein „CO2-neutrales Wachstum“ anstrebt, setzt dabei nicht nur auf Effizienzsteigerungen und den umstrittenen Handel mit Kompensationsprojekten, sondern auch auf den gefährlichen Einsatz von Agrartreibstoffen. – „Es gibt Versuche mit Biokraftstoffen, aber es ist bestimmt nicht die Strategie der Luftfahrt“, kommentiert das Sofia Rohner (AUA).
Eine unbestrittene Strategie der internationalen Luftfahrt heißt Wachstum, in den nächsten Jahrzehnten jährlich um 4,3 %. Dadurch könnten sich ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 vervier- bis verachtfachen und dann bis zu 22 % der weltweiten CO2-Emissionen ausmachen. Zudem sind weltweit derzeit 423 Flughäfen (58 in Europa) und 121 zusätzliche Start- und Landebahnen (28 in Europa) in Planung. Auch diese Baupläne werden meist als CO2-neutral präsentiert – so auch vom Flughafen Wien, der vorgibt, in Zukunft besonders nachhaltig zu sein und gleichzeitig mit einer dritten Piste das klimaschädlichste Projekt Österreichs umsetzen will.
Fußnote: Die römisch-katholische Kirche verurteilt den heutigen Ablasshandel mit Emissionen – Papst Franziskus: „Die Flugzeuge verschmutzen die Atmosphäre, aber mit einem Bruchteil der Summe des Ticketpreises werden dann Bäume gepflanzt, um den angerichteten Schaden zu kompensieren. Das ist Heuchelei.“
Mehr Informationen in der FT Watch- Broschüre „Grünes Fliegen – gibt es das?“, www.ftwatch.at
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Hat dies auf Fundstücke aus dem Internet rebloggt und kommentierte:
Papst Franziskus: „Die Flugzeuge verschmutzen die Atmosphäre, aber mit einem Bruchteil der Summe des Ticketpreises werden dann Bäume gepflanzt, um den angerichteten Schaden zu kompensieren. Das ist Heuchelei.“
Dem ist ja nicht viel mehr hinzuzufügen – außer: Bitte alles lesen und das eigene Verhalten überdenken!