Politik und MAs gegen Baumscheiben-Zäune?

Wie ein  innovatives Projekt in Wien in den Status eines „Missstands“ geraten kann – von Peter A. Krobath

DSCN5229 Arnezhoferstr BaumNr 108

Die Stadt Wien schreibt sich Partizipation auf die Fahnen und meint Kollaboration. Denn das, was zur Wahl steht, steht gar nicht zur Wahl, steht nicht in Frage. Und selbst die nicht hinterfragbaren Rahmenbedingungen sind meist sehr klein und  eng.  Nehmen wir das Beispiel Baumscheiben. Baumscheibe begrünen: Vielleicht, wenn’s unbedingt sein muss, aber nur mit spezieller Genehmigung. Den Zaun um diese Baumscheibe selbst gestalten: Nein, auf keinen Fall, wehe!

Auch nicht, wenn eine magristratische Standardumzäunung 500 Euro kostet und der Bezirk pro Jahr nur 5 bis 10 dieser Eisenzäune bezahlt, die Pflanzen auf der Baumscheibe aber ohne Einfriedung nichtsdestotrotz von den hier verkehrenden Menschen, Tieren und Automobilen gefährdet sind? Ja, auch dann ist es verboten, selbst Hand anzulegen: Finger weg!

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Nun wissen aber nicht alle Bürgerinnen und Bürger, dass der öffentlich genannte Raum in Wien gar kein öffentlicher ist, oder sie wollen es nicht wahr haben, oder sie versuchen es mutig, ihn tatsächlich zu einem solchen zu machen. So zum Beispiel in der Arnezhoferstraße im zweiten Bezirk, wo unter der Initiative des Architekten Erich Koller nicht nur die Bepflanzungen der Baumscheiben das Leben in der Straße in den letzten Jahren aufblühen ließ, sondern auch die originellen und praktischen Baumscheiben-Zäune aus Recycling-Materialien zu einem besseren sozialen Klima beitrugen. Wir berichteten HIER.

Und was machen die Stadtbehörden und –parteien? Gehen die nun her und halten Lobreden, weil hier jemand etwas fürs allgemeine Wohl macht? Danken sie der Initiative, weil sie zu Biodiversität, CO2-Abbau, Lebensqualität, Gemeinschaftbildung, sozialer Sicherheit etc. beiträgt? Drängen sie dem rein ehrenamtlichen Projekt eine finanzielle Unterstützung auf, damit es weiter gedeihen kann? Nein, nichts dergleichen. Sie kommen her und kündigen die Zerstörung an. Sie ignorieren die Menschen der Initiative und die Befindlichkeit der Anrainerinnen – von denen auf rund 100, welche die bepflanzten Baumscheiben plus ihre Zäune begrüßen, nur gezählte 2 Personen kommen, die das missbilligen. Und noch perfider: Sie drohen nicht nur die Zerstörung an, sondern auch dem Initiator (und nicht nur dem, wie Sie bald lesen werden):

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Per Mail wird Erich Koller mitgeteilt, dass „auf Anfrage von Bezirkvorsteher Karlheinz Hora“ am 6. März 2014 ein „Ortsaugenschein“ in der Arnezhoferstraße „vorgenommen“ wurde. Die Begutachtungstruppe bestand aus einem Herrn von der MA 42, dem Baumscheibenbeautragten der Gebietsbetreuung und deren Leiterin. Ihr Ziel: Die „baldige Behebung der Missstände“. Das Ergebnis: „Nach sorgfältiger Prüfung vor Ort wurde festgestellt, dass die Einfriedungen der Bauscheiben mit den Nr. 101, 103, 105, 107, 108, 109,110, 111, 112, 113, 201, 202, 204 und 205 zu entfernen sind.“ (Dass hier ein offizieller MA 42-Zaun mit auf der Liste ist, so etwas kann im Kampf um die Passanten-Sicherheit schon einmal passieren). Koller wird also aufgefordert, bis zum 17. 3. „den ursprünglichen Zustand“ wieder herzustellen, ansonsten „wird die MA48 beauftragt die Instandsetzung auf Ihre Kosten durchzuführen. Mit freundlichen Grüßen…“

((Anm. des Autors am 13. 3. : Im ursprünglichen Beitrag war hier der gesamte Inhalt des Mails zitiert, doch 24 Stunden nach der DSCN5672Arnezhofestr BaumNr 105Veröffentlichung kündigte mir die Gebietsbetreuung mit freundlichen Grüßen deswegen eine „Datenschutzklage“ an und forderte mich auf, „den Artikel sofort aus dem Internet zu nehmen“. Da bei dem Mail an Herrn Koller weder dabeistand, dass es nur für den Empfänger persönlich gedacht sei, Mails desselben Inhalts an andere Bewohnerinnen der Arnezhoferstraße gingen, alle vorkommenden Personen für jedmensch sichtbar im Internet hängen, die Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist etc., halte ich die Veröffentlichung des Mails für bedenkenlos, andererseits aber auch für zu unbedeutend, um deswegen Gerichte zu behelligen. Bleibt das Befremden darüber, wie hier – ob nun auf Weisung oder aus eigenem Antrieb – mit Kritik umgegangen wird))

Zurück zum Mail-Inhalt. In Kurzfassung: Alle selbst gebauten Baumscheiben-Zäune müssen auf der Stelle verschwinden. Ein Beschluss, ohne Herrn Koller oder die Anrainer vorher zu kontaktieren. Ohne zu besprechen, ob es bei der einen oder anderen Einfriedung wirklich berechtigte Sicherheitsbedenken gibt und wie die Initiative diese beseitigen könnte. Denn darum ginge es in einem öffentlichen Raum: Dass deren Gestaltung und Verwendung von den Nutzerinnen und Nutzern mit den Verwaltungsbehörden ausgehandelt werden kann. Aber anscheinend sind die Sicherheitsbedenken nur vorgeschoben, denn der wirklich wackelige Holzzaun vor der Gebietsbetreuung mit ihrem Herrn „Baumscheibenbeauftragten“ steht nicht zur Debatte.

DSCN5238 Arnezhoferstr 110Aber worum geht es hier dann? Geht es schlicht und einfach um eine Machtdemonstration? Um ein Abwürgen von Kreativität und Eigeninitiative in dieser Stadt? Um ein VordenKopfStoßen der Anrainerinnen? Um die Demütigung eines engagierten Bürgers, der nun zwei, drei Tage lang die Wahl hat, die Zerstörung seiner ehrenamtlichen Arbeit teuer der MA 48 zu bezahlen oder selbst in die Hand zu nehmen?

Bitte, ihr Bezirks- und Stadtpolitiker_innen, seid ihr wirklich so bürgerinnenverdrossen, dass ihr die Lebendigkeit und Kreativität der hier lebenden Menschen nicht ertragen könnt? Dass ihr die letzten engagierten Menschen in Wien derart behandeln müsst?!  – Oder ist euch das nur irgendwie und ungewollt passiert, habt ihr hier euren Job der Parteinahme übersehen und die Entscheidung über Existenz und Nichtexistenz eines innovativen Projekts (das den diesbezüglichen Bestrebungen sowohl der roten als auch der grünen Partei dieser Stadt ideal entspricht) einfach einem kleinen MA-Werkmeister überlassen, der aufgrund der kritikwürdigen Tatsache, dass er persönlich dafür haftet, wenn etwas im Zusammenhang mit diesen Zäunen passieren sollte, logischerweise nur gegen diese Zäune sein kann?

Die Haftungsfrage könnte auch ganz anders gelöst werden, ist Erich Koller überzeugt. Nun ist also dringend die Politik gefragt, für eine vernünftige Lösung dieser Frage bei der MA 42 schnell einen zwei- bis dreimonatigen Aufschub zu erwirken…

Ergänzungen:

Artikel in der PRESSE

Artikel im STANDARD

Fotos vom Abbau am 15.3. finden Sie HIER

Abschließend noch zwei PDFs von Erich Koller, das erste über das Projekt im allgemeinen, das zweite bringt einen Vergleich vom Baumscheibenzaun der Gebietsbetreuung mit denen, die entfernt werden mussten

2013-08-17 BAUM Baumscheiben

2014-03-10 BAUM Baumscheiben-Sample der Gebietsbetreuung Max-Winter-Platz im Vergleich mit Eric´s 105 und 101

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Comments
11 Responses to “Politik und MAs gegen Baumscheiben-Zäune?”
  1. akinmagazin sagt:

    Hat dies auf akinblog rebloggt.

  2. LiZi sagt:

    So viel Filz, so wenig Flexibilität. Aber trotzdem: NICHT AUFGEBEN, WEITER SO!!!!

  3. Florentine Schmidl sagt:

    just incredible – einfach Wien!

  4. Die Gebietsbetreuung im 2. Bezirk setzt sich seit Jahren dafür ein, dass BewohnerInnen ihre Freude
    am Gartln mitten in der Stadt ausüben können. Die ersten haben damit einfach als „Guerilla‐
    Gardener“ vor 30 Jahren begonnen. Als 2008 eine Diskussion über diese Art der Bepflanzung ins
    Rollen kam, setzte sich die GB*2 massiv dafür ein, dass diese Tradition, die dem Stuwerviertel auch
    eine besondere Note gibt, legalisiert und damit erhalten werden konnte. Dafür wurde eine
    Vereinbarung ausgearbeitet, die die StadtteilgärtnerInnen mit der Stadt Wien eingehen, um
    Baumscheiben zu begrünen. Diese enthält bestimmte Auflagen, die den Richtlinien für die
    Bepflanzung des öffentlichen Raums entspricht. Beispielsweise dürfen keine giftigen Pflanzen gesetzt
    werden, beim Graben in der Nähe der Baumwurzeln muss mit den Händen gegraben werden und so
    ist auch die eigenständige Errichtung eines Zaunes untersagt.
    Die GB* wusste von der Initiative, eigene Zäune für Baumscheiben errichten zu wollen. Wir haben
    einerseits auf die rechtlichen Rahmenbedingungen hingewiesen und andererseits unsere
    Unterstützung angeboten, wenn der Initiator im Rahmen eines (Kunst‐)Projektes sich die
    Genehmigung einholt, eigene kreativ gestaltete Zäune zu installieren. Bedauerlicherweise wurde
    unser Angebot nicht angenommen und die Zäune ohne Genehmigung widerrechtlich errichtet. Als
    auf diesen Umstand die Bezirksvorstehung von AnrainerInnen informiert wurde, waren die
    zuständigen Stellen aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese Zäune wieder entfernt werden, da
    Verletzungsgefahr bestand und eventuelle Haftungsfragen ungeklärt waren.
    Auch die Gebietsbetreuung hat in Absprache mit der MA42 einen „Versuchs‐Holzzaun“ aus
    Lärchenholz errichtet, um zu prüfen, ob dieser den Anforderungen im öffentlichen Raum entspricht.
    Wie sie selbst in Ihrem Artikel beurteilen, hält auch dieser eher massive Lärchenholzzaun den
    Anforderungen bei Wind und Wetter, aber auch Vandalismus nicht stand. Dies war auch der Grund,
    warum die Behörde entschieden hat, dass nur die Sezessionsgitter als Begrenzung der Baumscheiben
    geeignet sind. Diese mögen zwar in der Errichtung als teuer erachtet werden, sind aber stabil,
    wetterbeständig und erfüllen auch die erforderlichen Sicherheitskriterien.
    Die Gebietsbetreuung Stadterneuerung im 2. und 20 Bezirk initiiert und begleitet seit rund 25 Jahren
    zahlreiche Projekte, die das Zusammenleben und die gute Nachbarschaft im Grätzel fördern, die
    Stadtteile bunter und lebendiger machen und damit beitragen, die Lebens‐ und Wohlfühlqualität vor
    Ort weiter zu steigern. Öffentliche Flächen stehen allen Gruppen der Allgemeinheit zur Benutzung
    gleichberechtigt zur Verfügung. Zum Gelingen eines guten Miteinanders, das auf gegenseitigem
    Respekt und Rücksichtnahme basiert, gelten aber ‐ wie im Sport ‐ Regeln, die für alle gelten. Wir
    stehen Vorschlägen der BewohnerInnen zur Aufwertung des unmittelbaren Wohnumfeldes offen
    gegenüber und unterstützen bei der Vernetzung mit den zuständigen Dienststellen und bieten
    Beratungen über rechtliche Rahmenbedingungen und Umsatzbarkeit an. Bei
    Baumscheibenbegrünungen ist die Leopoldstadt eine Vorreiterin in der Stadt Dank zahlreicher
    engagierter BewohnerInnen. Wir haben diese Initiativen in der Vergangenheit sehr erfolgreich
    begleitet und werden diesen Weg gemeinsam mit den Leopoldstädterinnen und Leopoldstädtern
    auch in Zukunft fortsetzen.
    Mit besten Grüßen,
    Andrea Mann (Leiterin der GB*2/20), im Namen des gesamten Teams

    • Leopoldstädter sagt:

      …der lieben GB*2 ins Stammbuch geschrieben:
      Wie Sie selbst ausführen, haben Sie eigentlich zu keiner Zeit etwas zum Gelingen der Bepflanzung von Grünflächen unternommen. Begonnen von „Guerilla‐Gardener“ und fortgesetzt von einigen wenigen Individualisten und Engagierten. Selbst die Vereinbarung wird nicht mit der GB eingegangen (typisch Zwischenhändler). Nun aber groß beim Aufsagen (s. Kommentar). Blöd, wenn man eben doch nur offensichtlicher Handlanger der Stadtpolitik ist – anstatt Bedürfnisse der Stadtbewohner zu erkennen, aufzugreifen und dann bestmöglich zu unterstützen. Auch typisch die oftmals schon bemühte Aussage/Argumentation mit den Regeln, an die sich alle halten müssten. Da die Stadt die Regeln (Bsp. im 2ten: vor ein paar Jahren bei der Bebauung des Nordbahnhofgeländes) anscheinend ändert, wie sie es braucht und für nötig erachtet, geht für mich dieses Argument sehr ins Leere.
      Ich, für mich, hoffe, dass es diese Baumscheiben noch lange gibt, da es weiterhin Personen ein Anliegen ist, diese unsere Stadt etwas lebenswerter zu machen. Auch wenn sie nicht die ihnen zustehnde Anerkennung seitens der Stadtverwaltung erhalten sondern vielleicht nur Prügel vor die Füße geworfen bekommen. Ich ziehe meinen Hut und verbeuge mich vor diesen engagierten Personen! Danke!

    • Richard sagt:

      Ich bin sehr irritiert und überrascht über das absolut unprofessionelle und peinliche Vorgehen der GB. Dümmer hätte man es gar nicht mehr anlegen können.

      Natürlich is die MA42 unter Zugzwang und es geht um die Einhaltung von Vorschriften. Aber man kann darüber verhandeln. Und man kann darüber reden.

      Was hier passiert ist ist hinter dem Rücken eines engagierten Anrainers agieren und dann noch mir Klage drohen wenn das publik zu werden droht. Das ist absolut undemokratisch und entspricht dem Geist einer Beamtenregierung.

      Partizipation wäre genau das Gegenteil. Wenn das einer langegdienten und meiner bisherigen Meinung nach auch durchaus guten Leiterin einer GB* dann sagt das so zielmlich alles über den Geist in dieser Stadt.

      Die Stadt gehört dem Magistrat. Das ist nicht immer schleht, weil die meisten dort ja gute Arbeit leisten und es gut meinen. Aber es macht jede Initiative und Übernahme von Verantwortung durch die Bevölkerung unmöglich.

      Es mag sein, dass die Initative zur Nicht-Verhandlung vom Bezirksvorsteher ausgegeangen ist. Der bestreitet das aber angeblich. Es wäre angebracht dafür die Verantwortung zu übernehmen.

      • Sehr geehrter Herr Richard!

        Herr Krobath hat in seinem Artikel das e-mail, welches an den Baumpaten persönlich gerichtet war, mit Angabe aller Namen 1:1 ohne Einholung einer Genehmigung des Autors gepostet. Dies widerspricht dem Mediengesetz und kann datenschutzrechtlich geklagt werden. Deshalb habe ich Herrn Krobath aufgefordert dies aus dem Netz zu nehmen, was er dankenswerter Weise auch gemacht hat.
        Die öffentliche Diskussion über die Baumscheiben hingegen begrüße ich sehr, denn so werden noch mehr Menschen über die Möglickeit des Gartelns um´s Eck informiert. Bei uns melden sich täglich neue InteressentInnen.

        mit freundlichen Grüßen
        Andrea Mann

  5. artevienna sagt:

    Hat dies auf artevienna rebloggt und kommentierte:
    Wien 2014, Spießbürgertum ala carte…

  6. Johnd262 sagt:

    Have you ever considered about including afbfeekdaefe

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