SoliLa-LANDBESETZUNG am Donaufeld. Der Beginn

DSC_00204. Mai 2013. Der Himmel ist blau. Die Sonne scheint etwas stechend, als hätte sie schon am späten Vormittag Lust auf ein Gewitter. An die 60 junge Menschen finden sich zwischen 11 und 12 Uhr per Fahrrad im Sigmund-Freud-Park ein. Mit von der Partie: Lastenfahrräder, Räder mit Anhängern, belegte Kindersitze. Auf dem einen oder anderen Gepäcksträger eine Bäckerkiste mit kleinen Grünpflanzen, ein Schlafsack, ein Zelt, eine Schaufel.

Die Radler und  Radlerinnen verteilen sich in kleinen Gruppen auf der Wiese. Um nicht aufzufallen, sagt einer. Die Wiese ist ein nagelneuer Rollrasen, unter den man Anfang April die letzten Spuren des Wiener Refugee-Camps gekehrt hat. Über allem wächst Gras.

Eine Studentin verteilt Flyer mit der Überschrift „Rechtshilfe und Infos“. Die Versammlung fällt nur Touristen auf, sie machen Fotos, samt der Votivkirche dahinter, die in zigtausenden Urlaubsalben weltweit den Stephansdom machen muss. Aber Stopp: Warum nicht auffallen? Wozu Rechtshilfe? DSC_0031

Zum Aufbruch läuten die Kirchenglocken. Zum Glück befindet sich auf einem der  Fahrradanhänger ein Soundsystem und so startet die Gruppe mit einem Remix von „I wan’t to ride my bike“, aber das ist nur die eine Sache. Auch musikalisch: Mit Drum&Bass wummert der Schwarm über den Ring zur Spittelau, mit Balkanbeat wippen die Sattel durch die Brigittenau, und dann, auf der Nordbahnbrücke, zwischen den Bahnen von S und U, gibt es „Die Anwoord“ und die wird richtig „freaky“.

Die andere Sache findet auf der anderen Seite der Donau statt, in Floridsdorf, und sie stand auch schon als Antwort auf der anderen Seite des Flyers: Landbesetzung! Also ist niemand überrascht, als die Radtour am Donaufeld direkt im Grünen endet, auf einem offensichtlich brach liegenden Feld.

Die Landschaft des Donaufelds an der Alten Donau wurde bis vor einigen Jahren von Gärtnereien geprägt. Heute ist hier ein einziger Gärtnerei-Betrieb tätig, die Felder ringsum werden zum Teil nur noch zum Kassieren der ÖPUL-Förderungen bewirtschaftet, Devise Gründüngung. Laut Stadtentwicklungsplan sollen am Donaufeld in den nächsten Jahren 6.000 Wohnungen (für 12.000 Menschen) errichtet werden. 2010 stellten die Bezirksgrünen den Plänen der Stadt ein „alternativen Leitbild Donaufeld“ entgegen, in dem unter anderem vom Erhalt der städtischen Landwirtschaft, Nachbarschaftsgärten und einem Selbsterntefeld die Rede ist.

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Die Besetzung der Fläche zwischen Drygalskiweg  und An der Schanze im 21. Gemeindebezirk ist die zweite Landnahme in der jüngeren Geschichte Wiens, die zweite der Gruppe SoliLa. SoliLa steht für “Solidarisch Landwirtschaften“, steht „für die Aneignung der Lebensmittelproduktion, bedürfnisorientiert, lokal, antikapitalistisch“. Lokal bedeutet unter anderem, dass wertvolle landwirtschaftliche Flächen in Wien erhalten und nicht versiegelt werden sollen.

Bei der ersten Landnahme im April 2012 ging es um die ehemaligen Versuchsgärten der BOKU in Jedlersdorf, welche die Universität von der  BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) gepachtet hatte. Die Besetzung wurde nach zehn Tagen im Auftrag des Rektorats von privaten Security-Leuten brutal geräumt.

Die Fläche am Donaufeld befindet sich im Eigentum des Wohnfonds Wien, einem SPÖ-nahen gemeinnützigen Unternehmen, das eine zentrale Funktion bei der sogenannten Stadterneuerung spielt. Er wurde 1984 als Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds WBSF ins Leben gerufen, zwecks einer besseren Steuerung der Grundstückspreise und in Folge auch der Preise für Wohnbauten. Hauptaufgabe: „Die Bereitstellung des für den sozialen Wohnbau in Wien erforderlichen Bodens“.DSC_0077

Der soziale Wohnbau hat sich 2004 in den geförderten Wohnbau verwandelt, der WBSF in den Wohnfonds Wien. Der kauft nach wie vor Grundstücke, die er dann an Bauträger weiter verkauft, damit diese dort geförderte Wohnbauten errichten, und fungiert laut dem Wiener Wohnbaustadtrat Ludwig noch immer als „preisdämpfendes Element“. Derzeit sitzt Wohnfonds Wien auf 2 Millionen Quadratmeter „Flächenbevorratung“ für den geförderten Wohnbau. Und z. B. auf jenem Hektar, auf dem die SoliLa-Aktivistinnen nun harken und hämmern, eine Küche und ein Plenumszelt errichten, und  vorgezogene Gemüsepflanzen einsetzen.

Noch jemand beansprucht ein Recht auf die Fläche. Der Mann sagt, er sei der Pächter und bewirtschafte das Feld. Um letzteres unter Beweis zu stellen, rückt er gleich mit seinem Traktor an und mäht einen Streifen, bevor er von den Besetzerinnen aufgehalten wird. Viel weiter wäre er wohl auch ohne diesen Widerstand nicht gekommen, da auf dem Feld Zaunteile und Holzbalken herumliegen. Der angebliche Pächter (Ergänzung 7.5.: Er hat nur ein Prekariat, das er bisher nicht nutzte) ruft die Polizei.

DSC_0069Auch ein anderer Anrainer regt sich auf: „Wann ihr da jetzt Gemüse anbauts, bringen uns die Hund um“, sagt er. Die Hunde? „Die Leut, die was da umatum gehn mit die Hund“, präzisiert er. Und : „Ob das brach liegt oder nicht ist wurscht, wir ersticken in Hundescheiße!“ Die meisten Nachbarinnen stehen dem Projekt positiv gegenüber. Dass die Felder und Glashäuser hier in den nächsten Jahren Wohnsiedlungen weichen werden, dagegen könne man aber nichts machen, so der breite Tenor. Als Einzelstimme: „In den nächsten zehn Jahr ist da alles zubaut, da nützt gar nix.“

Die Besetzerinnen schlagen dem Pächter vor, mit ihm eine Haftungsausschluss-Vereinbarung zu schließen, aber er ist nicht gewillt, zuzuhören. Die Polizei kommt mit zwei Autos, einem Bus, zwei Verfassungsschützern in Zivil und zwei Fotografen, zieht aber nach zweistündigem Herumstehen wieder ab. Vereinzelt trauen sich erste Nachbarinnen auf das Gelände und versprechen, für das Nachbarinnen-Treffen am Sonntag (14:00) Kuchen zu bringen…DSC_0116

Die Geschichte wird fortgesetzt…

Mehr und Aktuelles: http://17april.blogsport.eu/

 

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  1. […] einen Monat nach der Besetzung im Donaufeld wollen wir wieder auf unsere Räder steigen und Stadtgestaltung selbst in die Hand nehmen […]



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